Dieser Blog dreht sich hauptsächlich um die mediterrane Küche. Aber auch Reisen tun wir gerne und oft, daher werden wir ab und zu auch über den Tellerrand hinausschauen (Wortspielalarm!). Und wie wir bei der gleichnamigen Amazon-Serie gelernt haben, ist eine Grand Tour eine Bildungsreise durch Frankreich, Italien, Spanien aber auch Mitteleuropa. Unsere erste Grand Tour führt uns nach Norditalien, genauer in die Emilia-Romagna. Anlass war aber nicht die Bildung, oder die Kulinarik – sondern der Sport:
Wir mussten schon 37 Jahre alt werden und bedurften der Initiative von Felix‘ Verlobten Carmen – aber dieses Frühjahr hat es endlich geklappt: Wir waren live bei einem Formel 1 Rennen. Wir nehmen euch mit und sagen euch am Schluss auch, ob und ob sich die Reise und die Kosten auch lohnen.
Die Strecke
24 Rennen umfasst die Formel 1 Saison 2024, von denen knapp die Hälfte auf traditionellen Rennstrecken (die Definition ist nicht ganz trennscharf) stattfindet. Unser Ziel ist aber definitiv eine ganz besonders geschichtsträchtige: Der Große Preis der Emilia-Romagna auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari in Imola.
Die 1952 eröffnete Rennstrecke ist, mit Unterbrechungen, seit 1980 Teil des Formel 1 Kalenders. Im Gegensatz zu den meisten anderen Strecken wird sie entgegen des Uhrzeigersinns befahren.
Traurige Berühmtheit erlangte Imola im Jahr 1994, als im Qualifying zunächst der Österreicher Roland Ratzenberger tödlich verunglückte und am Renntag mit Ayrton Senna auch eine, wenn nicht die, absolute Legende dieses Sports sein Leben verlor.
Die Emilia-Romagna
Imola liegt inmitten der Emilia-Romagna, einem Landstrich, der nicht nur zwei berühmte Rennstrecken (neben Imola auch noch in Misano), sondern auch die Sportwagenhersteller Ferrari und Lamborghini hervorbrachte. Noch berühmter ist die Emilia-Romagna aber für ihre kulinarischen Erzeugnisse: Ragù Bolognese, der Schinken aus Parma, Balsamico aus Modena, Parmigiano Reggiano Käse aus Parma und Reggio Emilia. Motorsport und gutes Essen – passender könnte es für unseren Blog kaum sein. 😃
Ganz grob gesagt liegt die Region am oberen Stiefelschaft Italiens. Sie erstreckt sich von Piacenza im Nordwesten bis Rimini an der Adriaküste. Landschaftlich erinnert die Landschaft ein wenig an die angrenzende Toskana, sanfte Hügel und Zypressen sind allgegenwärtig. Die Größstädte Bologna und Modena zeugen von der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Region.
Der Renntag
Da Imola abseits der Rennstrecke nicht so viel zu bieten hat, wohnen wir etwas weiter entfernt. Wir treffen uns morgens und los geht’s. Wenig überraschend gibt es bereits ab der Autobahnabfahrt einen Stau, das erwartete Verkehrschaos bleibt jedoch aus. Auch danach wundern wir uns, wie gut wir vorwärtskommen, die Straßen sind geradezu leer. Wir suchten uns im Vorfeld einen Parkplatz (P51) und lassen uns per Google Maps hinnavigieren. Beruhigenderweise sehen wir auch früh die Hinweisschilder und sind dennoch nervös, ob wir noch eine Möglichkeit finden unser Auto abzustellen. Doch als wir am Parkplatz ankamen, die Überraschung: Unser avisierter Parkplatz entpuppt sich als ein Gartengrundstück (im schwäbischen würde man wohl Stückle sagen oder im Nordosten Datsche), das kurzfristig umfunktioniert worden schien. Es liegt direkt am Fluss Santurno hinter der Tamburello-Kurve. Wir zahlen 20€ für einen Tagespass und laufen zum Eingang.
Wir haben Plätze für Acque Minerali 2, einer Tribüne an einer Rechtskurve in einer Senke gelegen. Wir wählten diese Plätze, obwohl es in der Vergangenheit keine Kurve mit packender Rennaction war, aber wenige Fehler verzeiht und durch die Höhenunterschiede nicht ganz leicht zu fahren ist. Zudem kann man von der dortigen Tribüne die Autos relativ lange sehen und hat große Videoleinwände zu Verfügung. Vom Parkplatz müssen wir eine Weile bis zum Eingang an der Tosa-Kurve gehen, die Motorengeräusche der Formel 3 bringen uns aber schon in die richtige Stimmung.
Während die Schlangen am Haupteingang weit über die Flussbrücke bis auf die Straße reichten, ist der Seiteneingang vor der Tosa-Kurve weit weniger frequentiert. Keine 10 Minuten später sind wir im Infield und sehen die erste Rennaction.
Der erste Eindruck: Wer die Formel 1 der Neuzeit verfolgt, neigt gerne dazu, sie sich als eine Mischung aus High Society und High Tech vorzustellen, piekfein und sauber – eher Wimbledon als Kartbahn. Doch während das für die neueren Veranstaltungsorte wie Singapur, Abu Dhabi oder Miami zutreffen mag, lässt Imola keinen Zweifel daran: Hier ist weniger Champagner und mehr Motoröl, mehr Enzo Ferrari als Lawrence Stroll, mehr F1-Nerds als Drive to Survive-Fans. Vieles wirkt etwas in die Jahre gekommen, fast schon morbid. Unser Weg führt uns unter der Strecke ins Infield. Dieses besteht zu großen Teilen aus dem Parco Aque Minerali, einem sehr schönen Park, der Spiel- und Tennisplätze sowie fast malerische Wäldchen und Hügel enthält. Wir kommen an Fanshops vorbei, holen uns gegen die Sonne noch zwei Kappen – natürlich von Ferrari – und stehen einige Meter weiter vor dem heimlichen Star der diesjährigen Veranstaltung:
Senna ist dieses Jahr allgegenwärtig. Am Donnerstag vor dem Rennen sind die Fahrer bereits in speziellen T-Shirts zum Denkmal gepilgert, die blauen Nacional-Kappen, neben dem gelben Helm eines seiner Markenzeichen, sind häufig zu sehen. Überall sind Hinweisschilder, Erinnerungen und Fotos zu sehen. Mindestens zwei Fans haben wir sogar in blauweißen Williams-Rennanzügen gesehen.
Wir sind neugierig auf unsere Plätze und möchten den Start des Porsche Supercup nicht verpassen – sind aber einmal mehr überrascht, wie hemdsärmelig doch vieles gelöst ist: Der Weg zu unserer Tribüne ist zwar perfekt ausgeschildert, der Weg selbst aber nur bei trockenen Bedingungen angenehm: Er führt direkt durch einen Pinienwald.
Wir sind auf unseren Plätzen angekommen und kurz darauf sehen wir auch die ersten Rennwagen. Erste überraschende Erkenntnis: Die GT3 Porsche sind echt verdammt laut, deutlich lauter sogar als die Formel 1. Bei der Platzwahl war uns schon bewusst, dass es vermutlich nicht die Stelle mit Überholaction sein wird, dennoch konnten wir den ein oder anderen Fahrfehler beobachten. Nichtsdestotrotz: Wer dem Rennen folgen möchte, ist auf die Videowände angewiesen, den Überblick kann man kaum behalten. Das Erlebnis ergibt sich aus der Stimmung auf den Tribünen, dem Sound, dem Geruch – mehr vom Rennen bekommt man definitiv am TV mit.
Nach dem Porsche Cup-Rennen sind etwa drei Stunden Zeit bis die roten Lichter für die Formel 1 ausgehen, Zeit genug also, um etwas zu Essen zu besorgen und zu schauen, was sich der Veranstalter noch so hat einfallen lassen.
Die historischen Autos waren auch auf der Strecke unterwegs, leider waren in der ansonsten guten Veranstaltungsapp keine genauen Daten angegeben, wann genau – so hätten wir uns rechtzeitig wieder auf unsere Tribüne begeben um möglichst gute Sicht zu haben – so waren wir leider oft unterwegs und hörten nur den kreischenden Sound der V8 und V10-Triebwerke der Vergangenheit.
Als jemand, der die Formel 1 seit der Kindheit Mitte der 1990er verfolgt, war es toll, die alten Autos zu sehen und sogar fahren zu sehen. So war es für mich auch viel spannender, diese ewig anzugucken, zu fotografieren und zu begutachten, als an den zahllosen Aktionen wie Boxenstop-Übungen und Rennsimulationen teilzunehmen oder dem DJ zuzuhören. Schön aber: Es ist für jede*n etwas dabei. Überhaupt hatte man das Gefühl, an einem großen Festival des Motorsports teilzunehmen, bei der die Formel 1 eher eine von vielen Attraktionen ist, nicht die Hauptsache.
So vergeht die Zeit schnell bis 14:30 Uhr – die Boxengasse öffnet und die eigentlichen Stars des Tages kommen auf die Strecke auf dem Weg in die Startaufstellung. Wir eilen zu unseren Plätzen und auch hier merkt man, dass die Strecke und auch die Tribünen nicht mehr die jüngsten sind: Es ist relativ eng, es gibt keinen Sonnenschutz und die Sitze sind nicht besonders bequem. Doch als zum ersten Mal die roten Autos ins Blickfeld fahren und Tausende Tifosi um uns herum zu jubeln beginnen, werden wir mehr als entschädigt.
Den Streckensprecher verstehen wir mangels italienischer Sprachkenntnisse nicht, er schafft es aber offensichtlich, die Stimmung anzuheizen. Als die italienische Hymne aus der etwas quäkigen Beschallungsanlage ertönt, geht es los: Die ganze Tribüne schmettert inbrünstig Il Canto degli Italiani.
Im Vergleich zu den Cup-Porsche und dem Oldie von 1993 verblüffend leise kommen endlich die F1-Autos in der Aufwärmrunde das erste Mal vorbei, rote Rauchbomben werden gezündet, die Spannung steigt.
Den Start hören wir nur, sehen aber recht gut auf den Bildschirm. Dieser verläuft recht unspektakulär, auch in „unserer“ Kurve geht alles gesittet zu – die gewohnte Prozession von Imola nimmt ihren Lauf. Für die Nicht-Motorsportfans: Die moderne Formel 1 tut sich auf traditionellen Strecken schwer, spannende Rennen zu bieten, da die schmalen und flüssigen Streckenverläufe wenig Überholmöglichkeiten bieten. Positionswechsel sind so fast nur über die Reifenwechselstrategie möglich, selbst größere Geschwindigkeitsunterschiede reichen für Überholmanöver nicht aus.
So bleibt als spektakulärer Höhepunkt lediglich Lewis Hamiltons Ausrutscher vor unseren Augen zu vermelden, den Paceverlust von Spitzenreiter Max Verstappen sehen wir mit bloßem Auge, können aber die Gründe nicht erkennen. Nichtsdestotrotz erhält Verfolger Lando Norris viel Zuspruch von den Tribünen, schafft es aber letztlich nicht vorbei.
Wir zögern nicht lange und versuchen schnell in Richtung Start- und Ziel zu kommen um noch etwas von der Siegerehrung mitzubekommen – die engen Wege und vielen Zuschauer machen das aber zu einem unmöglichen Unterfangen, so kommen wir zwar in die Nähe, sehen die Zeremonie aber nur von einem der Monitore.
Unser Streckenspaziergang endet wieder in der Tosa-Kurve. Eine ganze Runde ist uns leider nicht vergönnt, die Marshalls sperren die Strecke hinter der Kurve. Für jahrelange Simracer ist die Perspektive trotzdem fast merkwürdig: Hunderte Male ist man auf immer realistischer werdenden Rennsimulationen virtuell genau hier unterwegs gewesen, es fühlt sich daher merkwürdig vertraut an und als kenne man jeden Randstein persönlich. Die Grenzen zwischen virtueller Erinnerung und der Realität verschwimmen.
Hatten wir bei der Anreise noch Glück, war das erwartete Verkehrschaos doch noch da: Sämtliche Ausfallstraßen Imolas waren hoffnungslos überlastet, Google Maps‘ Umfahrungsvorschläge brachten uns vom Regen in die Traufe – doch das tat unserer Zufriedenheit mit dem Tag keinen Abbruch – endlich ein Formel 1-Rennen live gesehen!
Für wen lohnt sich das?
Die Formel 1 ist kein billiges Vergnügen. 300€ pro Karte (es gibt auch billigere, die Haupttribüne ist aber noch deutlich teurer) dazu 20€ fürs Parken und 30€ für Essen und Getränke. Kommt man nur für das Rennen, kommen natürlich noch Kosten fürs Hotel und die Anfahrt hinzu – der kleine Ausflug zum Formel 1-Zirkus wird so schnell eine vierstellige Angelegenheit. Echte Formel 1-Fans werden dennoch nicht lange zögern, es ist das Geld definitiv wert. Die Action mag bescheiden sein, der Sound der Autos früher besser – aber die Atmosphäre entschädigt für die Kosten.
Dazu kommt: Die Emilia-Romagna ist eine wunderschöne Region und auch ohne F1-Rennen definitiv eine Reise wert: So kann man sich die Reisekosten ein bisschen schön rechnen und kann die tolle Landschaft, das fantastische Essen und die Leidenschaft für die Formel 1 verbinden.
Glutenfreier Tipp
Wir haben ja immer auch ein Augenmerk auf die glutenfreie Küche und können begeistert sagen: Die Emilia-Romagna ist für Zöliakiebetroffene geradezu ein Paradies. In jedem kleineren Ort gibt es spezielle Läden, die Mitarbeitenden in der Gastronomie kennen sich oft aus und finden Lösungen. Beispiel: Ein Fischrestaurant in Cervia konnte Kontamination nicht ausschließen – die Maîtresse de salle besorgte uns daher kurzerhand einen Tisch im Restaurant nebenan.
Fazit
Für Motorsportfans ist Imola definitiv eine Reise Wert – aber auch für alle anderen, die sich die Zeit während des Rennens bei zahlreichen kulturellen oder kulinarischen Angeboten vertreiben können. Die Autoren würden jedenfalls jederzeit wieder herkommen. 🙂
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