Vor ca. 15 Jahren haben wir uns zum ersten Mal mit dem Siebträger beschäftigt. Auch wenn seitdem viel an Zubehör, Maschinen und anderen Erfindungen hinzugekommen ist: Die Basics sind immer dieselben geblieben. Genau um diese Grundlagen soll es in diesem Beitrag gehen.
Lasst euch nicht abschrecken wenn es teilweise mehr nach Wissenschaft klingt als nach Genuss: Der Einstieg ist tatsächlich etwas komplexer – dafür eröffnet sich dem Kaffeegenießer auch andere Welten als von Nespresso, Vollautomat und Co. gewohnt. Als Anregung solltet ihr aber unbedingt auch mal bei YouTube und Co. vorbeischauen und die zahlreichen, teilweise geradezu künstlerischen Videos anschauen. Bei uns soll es aber heute wirklich nur um die absoluten Basics gehen.
Was ist eigentlich ein Espresso?
Fangen wir also an mit der Kernfrage, was ist denn eigentlich das Getränk um das es hier geht? Die Ursprünge des Namens sind nicht ganz eindeutig. Ein Caffè espresso deutet vom Namen auf einen Kaffee hin, der auf ausdrücklichen Wunsch des Gastes frisch zubereitet wird. Aber auch Bezüge zum hohen Druck, der benötigt wird sind belegt. Wikipedia nennt sogar einen Zusammenhang zum englischen Begriff ‚Express’ für Schnellzüge, da die ersten – mit Dampf betriebenen – Espressomaschinen Assoziationen mit den damals üblichen Lokomotiven weckten.
Wir lassen die Etymologie hinter uns und begeben uns in die Heimat des Espressos: Nach Italien. Wir werden auf der Webseite des Instituto Nazionale Espresso Italiano fündig: Der auf ausdrücklichen Wunsch („il desiderio espresso“ zubereitete italienische Espresso (Caffè) ist laut dem Institut folgendermaßen definiert: Qualifiziertes Personal brüht mit einer tauglichen (frei übersetzt von „qualified“) Maschine italienischen Espresso aus einer tauglichen Mühle mit einer tauglichen Bohne(nmischung). Mit den Maschinen und den Bohnen beschäftigen wir uns in anderen Beiträgen, fangen wir erstmal mit dem qualifizierten Personal an – also euch. 🙂
Freundlicherweise liefert die Norm auch direkt ein paar nützliche Daten mit, die in der unten stehenden Tabelle zusammengefasst sind.
Menge Kaffeemehl | 7g ± 0,5g |
Wassertemperatur am Ausgang der Brühgruppe | 88°C ± 2°C |
Trinktemperatur | 67°C ± 3°C |
Wasserdruck am Ausgang der Brühgruppe | 9bar ± 1bar |
Brühzeit | 25s ± 5s |
Viskosität | > 1,5mPa s bei 45°C |
Fett | > 50mg ± 1mg |
Koffein | < 100mg |
Menge inklusive Crema | 25ml ± 2,5ml |
Da wir kein Zertifikat erwerben wollen, sondern einfach nur einen guten Espresso genießen wollen, können wir uns selbstverständlich die Freiheit nehmen auch von diesen Daten abzuweichen. Die Tabelle dient aber als guter Ausgangspunkt.
Los geht’s
Ihr habt nun eure Espressomaschine gekauft (und hoffentlich auch eure Mühle), angeschlossen und in der Küche stehen. Als erstes stellen wir uns die Frage: Welche der oben gezeigten Parameter können wir direkt beeinflussen? Bei einer Maschine ohne Temperatursteuerung ist diese fix*. Auch den Pumpendruck können wir normalerweise nicht beeinflussen. Viskosität, Fett- und Koffeingehalt können wir so einfach nicht messen.
Als Parameter bleiben uns also die Menge Kaffeemehl, die Brühzeit und die Menge in der Tasse. Weiterhin können wir mit unserer Mühle den Mahlgrad des Kaffeemehls variieren. Diese vier Variablen hängen miteinander zusammen. Um uns einem guten Espresso anzunähern, sollten wir weitere Variablen fixieren. Da sie mit jedem Smartphone gut zu überwachen ist und wir einen Startwert aus der Tabelle haben, fangen wir mit der Brühzeit an. Diese sollte ab Betätigen des Bezugsschalters etwa 25 Sekunden betragen.** Mit einer empfehlenswerten Feinwaage (diese sollte auf 2 Nachkommastellen genau Gramm wiegen können) könnt ihr nun 7g Mehl in den Siebträger geben, andrücken und gleichzeitig Stoppuhr und Bezugsschalter betätigen. Sind 25 Sekunden abgelaufen, sollten etwa 25ml inklusive Crema in der Tasse gelandet sein. Weist der Messbecher nach 25 Sekunden weniger auf, bedeutet dies, dass euer Mahlgrad zu fein gewählt war. Wahrscheinlich habt ihr nun ein recht bitteres Ergebnis produziert. Sind es nach 25 Sekunden mehr als 25ml, war euer Mahlgrad zu hoch – oft schmeckt das Ergebnis dann eher säuerlich. Ihr müsst nun so lange ausprobieren, bis die Zeit in etwa hinkommt – und euch das Ergebnis schmeckt.
Abweichungen von der Norm
Und was wenn nicht? Es kann durchaus sein, dass ihr mit diesen Daten nicht vom Ergebnis begeistert seid. Dann solltet ihr probieren, an der Menge Kaffeemehl zu variieren. Nehmt ein Gramm mehr Mehl und dafür einen etwas groberen Mahlgrad, bis die 25ml/25s wieder erreicht sind. Oder eben umgekehrt: Weniger, aber feineres Mehl. Da dieses Spiel zu Beginn mehrfach wiederholt werden muss, empfiehlt es sich, zunächst eine größere Menge Bohnen zu kaufen – am besten Kilopackungen, da diese vom gleichen Rösttag und damit relativ konstant sein sollten.
Möglicherweise habt ihr Bohnen, die eine längere Extraktionszeit erfordern. Häufig sind dies dunklere, also stärker geröstete, Sorten. Auch die Menge in der Tasse ist teilweise gar nicht so einfach festzustellen. Manche Sorten, insbesondere mit hohem Robustaanteil sorgen für ein wahres Schaumbad an Crema in der Tasse. Die Crema hat allerdings auch viel mehr Volumen, entsprechend solltet ihr bei diesen Sorten bei der Menge einen Aufschlag bei der Menge geben.
Das Tampern
Am Tampern, also dem Andrücken des Kaffeemehls im Siebträger mittels des Stampfers, scheiden sich die Geister. Vorweg: Wir halten die Bedeutung allgemein für überschätzt. Egal wie viel Druck wir auf das Pulver gegeben haben, auf die Extraktionszeit hatte dies praktisch keinen Einfluss. Auch haben wir einmal den Versuch gestartet, ganz ohne Tampern auszukommen. Hierzu haben wir nur das Mehl gleichmäßig im Siebträger verteilt und diesen ohne Tampern eingespannt. Auch hier gab es was die Extraktionszeit und den Geschmack angeht kaum einen Unterschied. Dies entspricht auch unseren Beobachtungen in Italien: Die Barista dort tampern oft nur mit dem an den Gastromühlen angebrachten Tampern – im Grunde ist das nicht mehr als ein Plandrücken. Tamper mit einstellbarem Druck und ähnliches sind sicher coole Gadgets für Geeks, für den Anfang reichen aber sogar die oft mit den Maschinen mitgelieferten Plastikteile.
Fazit
Was wir hier aufgeschrieben haben, klingt viel komplizierter als es wirklich ist. Die meisten Arbeitsschritte gehen nach ein paar Tagen einfach aus dem Handgelenk. Die hier ausgeführten Schritte dienen aber dem Verständnis und sollen euch helfen, ein Gefühl für das Gebräu in der Tasse zu entwickeln.
Habt ihr andere Erfahrungen? Seid ihr Tamperfans? Bitte kommentieren. 🙂
*Für die Profis, die jetzt aufschreien werden: Per kurzzeitigem Aktivieren der Dampftaste ist es auch ohne Controller möglich, die Temperatur zu erhöhen („Temperatursurfen“).
**Bei manchen Geräten, zu denen insbesondere die mit E61-Brühgruppe zählen, sollte beachtet werden, dass es eine sogenannte Preinfusion gibt. Hier wird vor dem eigentlichen Bezug Wasser auf den Kaffeepuck gegeben, so dass dieser aufquellen kann. Dies soll den Geschmack verbessern. Die Extraktionszeit beginnt dann genau genommen erst nach der Preinfusion.
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