Für mich das wichtigste an der mediterranen Küche sind die Kräuter. Sie geben auch einfachen Gerichten erst das typische Aroma und versetzen uns zumindest gedanklich sofort in den sonnigen Süden.
Offenbar geht es vielen so, denn nicht umsonst sind die Gewürzregale im Supermarkt voll von allerlei Gewürzmischungen mit klingenden Namen wie „Italienische“ oder „Mediterrane Kräuter“. Ein absoluter Klassiker unter den Kräutermischungen sind aber besonders die Kräuter der Provence.
Doch was macht diesen Klassiker unter den Kräutermischungen eigentlich genau aus? Was verbirgt sich hinter diesem Begriff und was ist drin? Diesen Fragen wollen wir uns in diesem Beitrag widmen.
Geschichte
Wer denkt, die Mischung Kräuter der Provence sei auf eine überlieferte Tradition provenzalischer Köch*innen zurückzuführen, liegt vermutlich leider falsch. Vielmehr deuten viele Quellen darauf hin, dass es sich um einen Marketingbegriff handelt, der in den 1970er Jahren vom französischen Gewürzfabrikanten Michel Ducros geprägt wurde.1 Der Name sollte helfen, die Gewürzmischungen der Marke besser zu verkaufen, wie wir heute sehen durchaus auch mit Erfolg.
Doch was ist nun genau drin? Die Inhaltsstoffe der Mischungen aus dem Supermarkt unterscheiden sich deutlich, daher stellt sich die Frage: Was sind denn nun die „echten“ Kräuter der Provence?
Das milde Klima und die Geographie in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur bieten ideale Bedingungen für die Kultur einer ganzen Reihe an Kräutern: Oregano, Thymian, Lavendel, Salbei, Petersilie, Lorbeer, Bohnenkraut, Basilikum, Majoran, Estragon, Rosmarin, Liebstöckel, Fenchel, Kerbel – sie alle wachsen in der Provence, aber als Kräuter der Provence werden meistens nur ein paar wenige bezeichnet…
Der Marketing-Begriff
Wie schon beim Espressobeitrag nähern wir uns dem Thema, indem wir eine Definition suchen. Und tatsächlich, in Frankreich, dem Heimatland der Krräuter der Provence finden wir etwas: Der französische Staat vergibt über das Institut National de l’origine et de la qualité verschiedene Gütesiegel für einheimische Produkte, unter anderem das Label rouge. Dieses Siegel wird an Produkte hoher Qualität vergeben, lässt aber, anders als etwa das AOP-Siegel, auch Anbaugebiete außerhalb seiner Ursprungsregion zu. Während Champagner immer aus der Champagne kommen muss, können Kräuter der Provence Label rouge also auch aus anderen Regionen der EU stammen.
Wenn eine Kräutermischung nun Kräuter der Provence heißen will und das Label rouge tragen dürfen soll, dürfen ausschließlich Bohnenkraut, Oregano, Rosmarin und Thymian verwendet werden und in folgendem Verhältnis gemischt werden:
- 27 % Bohnenkraut (Satureja montana)
- 27 % Oregano (Origanum vulgare)
- 27 % Rosmarin (Rosmarinus officinalis)
- 19 % Thymian (Thymus vulgaris)
Die Kräuter
Jetzt wissen wir was, aus Sicht vieler französischer Produzenten, die echten Kräuter der Provence sind. Aber was macht diese Mischung denn nun so besonders? Sehen wir uns die Kräuter dazu einmal einzeln an:
Bohnenkraut (Satureja montana): Bohnenkraut hat einen intensiven, pfeffrigen Geschmack, der oft als leicht scharf und würzig beschrieben wird. Es ist milder als schwarzer Pfeffer, aber ähnlich pikant, mit erdigen und leicht harzigen Noten, die an den Thymian und sogar Minze erinnern. Verwendet wird Bohnenkraut sehr häufig zu Hülsenfrüchten. Dies ist auch der Grund für den deutschen Namen, denn mit den Bohnen selbst oder gar deren „Kraut“ hat es nichts zu tun. Der kräftige Geschmack prädestinieren es für die Verwendung in Eintöpfen und Schmorgerichten.
Oregano (Origanum vulgare): Der Geschmack von Oregano ist kräftig, warm und auch leicht bitter. Weiterhin lässt sich häufig ein Hauch von Menthol feststellen, der ihm eine milde Frische verleiht. Er wird oft als erdig und auch ein wenig pfeffrig beschrieben, was gut zu Tomaten, Pasta-Saucen und gegrilltem Fleisch passt. Getrockneter Oregano ist geschmacklich intensiver als frischer und wird meistens als das typische Pizza-Gewürz genutzt.
Rosmarin (Rosmarinus officinalis): Rosmarin hat ein unverkennbares, harziges Aroma mit einer leicht bitteren Note und einem fast süßen Hauch von Pinie. Sein Geschmack ist kräftig und würzig, weshalb er sparsam verwendet werden sollte. Er passt besonders gut zu Lamm-, Geflügel- und Kartoffelgerichten und bringt ein charakteristisches Flair.
Wenn ihr euch Fertigprodukte anschaut, werdet ihr übrigens auch ab und zu über „Rosmarinextrakt“ oder ähnliches stolpern. Das hat aber gar keine geschmacklichen Gründe, sondern dient lediglich als Konservierungsstoff. Das ZDF hat das in der Reihe „Besseresser“ sehr anschaulich erklärt.2
Thymian (Thymus vulgaris): Thymian hat einen milden, aber zugleich komplexen Geschmack, der erdig, zitronig und leicht blumig ist. Er ist weniger dominant als Rosmarin und passt gut in viele Gerichte, von Suppen und Eintöpfen bis hin zu Gemüse und Fleisch. Thymian harmoniert ausgezeichnet mit Knoblauch und anderen Kräutern und bietet eine subtile, aromatische Tiefe.
Auch wenn Geschmäcker natürlich verschieden sind und dessen Beschreibung naturgemäß immer etwas unterschiedlich wahrgenommen werden, konnten wir uns nun der Basis der Provencekräuter nähern. Wir sehen, sowohl hinsichtlich des Geschmacksprofils, als auch der Eignung für verschiedene Gerichte lassen sich Unterschiede erkennen.
Schlussfolgerung
Was lässt sich daraus nun folgern? Zum einen sicherlich, dass die Kräuter der Provence sicher ein genialer Marketingschachzug waren – die schiere Masse an Kräutermischungen dieses Namens zeigt das deutlich. Zum anderen: Brauchen wir wirklich eine solche Mischung? Wir denken nein und haben die Mischungen aus dem Gewürzregal verbannt – lieber die Gewürze einzeln und in Bioqualität kaufen und je nach Gericht verwenden:
Wird es kartoffelig, versucht einmal eine Mischung aus Rosmarin und Bohnenkraut. Lammfleisch mit Knoblauch lässt sich mit Thymian wunderbar kombinieren. Auch Fisch mit Zitrone liebt den feinen Thymian. Hülsenfrüchte und Eintöpfe können es dagegen etwas intensiver vertragen – hier empfiehlt sich das Bohnenkraut, sagt ja schon der Name. Tomatensaucen, ob auf Pizza oder Pasta harmonisieren mit Oregano.
Versucht es doch mal selbst, ihr werdet sehen, es lohnt sich das jeweilige Geschmacksprofil kennenzulernen und damit den Charakter eurer Speisen zu herauszuarbeiten – viel besser als mit einer Fertigmischung.
Wenn ihr die Kräuter noch dazu im eigenen Hochbeet anpflanzt, könnt ihr sogar noch Verpackung und Transportkosten sparen – und da sie raue Bedingungen gewohnt sind, sind die provenzalischen Kräuter auch wirklich pflegeleicht. 🙂
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